Customer Relationship Management (CRM) – Systematische Kundenbindung und -akquisition in der Steuerberatung
Seit Jahren steigt die Anzahl der Berufsträger an. Inzwischen gibt es mehr als 75000 Steuerberater. Die Qualifikation des Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfers haben mehr als 17500 Kollegen. Die Anzahl der gewerblich/freiberuflich tätigen Kunden hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Auf Kundenseite sind eher in vielen Branchen Konzentrationstendenzen zu erkennen, die für die Zukunft eine geringere Anzahl an Kunden erwarten lässt. Bereits Heute ist der verstärkte Wettbewerb in dem Markt der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung erkennbar. Dieser Trend wird sich in Zukunft fortsetzen und noch beschleunigen.
Der Wert einer bestehenden Kundenbeziehung und die Firmenwertsteigerung aus der Gewinnung von Neukunden sind daher von großer Bedeutung für die Kanzleien. Gerade der Markt der Steuerberatung ist besonders geeignet für einen systematischen Ansatz zur Kundenbindung und zur Neukundengewinnung. Das bloße Bauchgefühl, dass die bestehenden Kunden zufrieden sind, wenn sie sich nicht negativ äußern und das Verlassen auf Weiterempfehlungen für die Neukundengewinnung sind in Zukunft nicht mehr ausreichend. Kanzleien die einen echten Customer Relationship Management (CRM) Ansatz verfolgen, werden erfolgreicher sein als andere Kanzleien. Das zeitliche und finanzielle Investment in eine konsequente Umsetzung eines CRM-Ansatzes lohnt sich für die Kanzleien. In nur wenigen Branchen lässt sich der Wert einer Kundenbeziehung so exakt monetär bewerten, wie in der Steuerberatung. In der Praxis wird in der Regel ein Wert erzielt der zwischen 100 % und 150 % des Jahresumsatzes mit diesem Kunden beträgt. Dieser hohe monetäre Wert einer Kundenbeziehung liegt vor allem an der Langfristigkeit der Mandatsbeziehung. Gerade mittelständische Unternehmen wechseln nur selten ihren Steuerberater. In der Regel wird eine langfristige Partnerschaft angestrebt.
Ein konsequenter CRM-Ansatz stellt sich genau auf diese Besonderheit des Steuerberatungsmarktes ein. Die systematische Kundenbindung soll Mandatsverluste verhindern und mit einer gezielten Akquisitionsstrategie soll die Neukundengewinnung verbessert werden. Ein drittes Element ist die Kundenrückgewinnung, falls es doch zu einem Mandatswechsel gekommen ist.
2. Neukundengewinnung
Bei Umfragen unter Berufskollegen wird immer wieder als Hauptquelle für Neukunden die Weiterempfehlung durch bestehende Kunden oder durch sogenannte Multiplikatoren (z. B. Banken) genannt. Für die endgültige Entscheidung eines Mandatswechsels ist diese Aussage sicherlich zutreffend. Je mehr Kunden und Multiplikatoren die Kanzlei weiterempfehlen, umso mehr Neukunden können gewonnen werden. Ein vorrangiges Ziel des CRM Ansatzes muss daher das Weiterempfehlungsmanagement sein.
Bestehende Kunden werden die Kanzlei nur aktiv weiterempfehlen, wenn sie begeistert sind von der Leistungsfähigkeit der Kanzlei. Ein nur zufriedener Kunde wird die Kanzlei nicht aktiv weiterempfehlen. Nach einer Umfrage einer großen Unternehmensberatungsgesellschaft sind 75 % der Kunden wechselbereit, die den Service der Kanzlei als durchschnittlich beurteilt haben. Mit der fachlichen Arbeit ist es schwer mittelständische Kunden in den Zustand der Begeisterung zu versetzen. Das Image der Kanzlei und insbesondere der Grad der Mandantenorientierung spielen hier eine große Rolle. Den Kunden muss auch die Akquisitionsstrategie der Kanzlei bekannt sein. Manchen Kunden ist oftmals nicht bekannt, welche Leistungen eine Kanzlei anbietet oder welche Wachstumsziele verfolgt werden. Einige Kollegen erwecken sogar den Eindruck der Arbeitsüberlastung. In diesem Umfeld werden natürlich keine aktiven Weiterempfehlungen erfolgen.
Falls es in der Praxis zu einer erfolgreichen Weiterempfehlung kommt, ist dies ein ganz besonderes Ereignis und sollte sehr sorgfältig bearbeitet werden. Der Kunde der die Weiterempfehlung ausgesprochen hat, hat der Kanzlei einen sehr großen monetären Wert verschafft. Eine angemessene persönliche Würdigung ist daher unbedingt angeraten. Ein gemeinsames Essen, eine Einladung zu einem Sportevent oder einer Kunstveranstaltung sind wirkungsvoller als Sachgeschenke. Neben dem Dank für die Weiterempfehlung ist dieser gemeinsame Termin auch gleichzeitig eine sehr gute Kundenbindungsmaßnahme.
Der neue Kunde verdient eine besondere Behandlung. Insbesondere in der ersten Zeit können neue Kunden noch relativ leicht begeistert werden. Nach einigen Monaten hat sich auch der neue Kunde an den besten Service gewöhnt. Darüber hinaus sind neue Kunden in der ersten Zeit auch besonders aufmerksam. Interessanterweise ist die Weiterempfehlungsrate bei Neukunden gerade in den ersten sechs Monaten am höchsten. Die Wahrscheinlichkeit aus einem Neukunden noch weitere zu gewinnen ist durchaus vorhanden. Neue Kunden sollte daher sehr sorgfältig in den Kanzleiablauf integriert werden. Dieser Einführungsprozess sollte immer unter der Überwachung des Inhabers/eines Partners erfolgen. Auch für den bestehenden Kunden ist es eine Anerkennung, wenn seine Weiterempfehlung auf positive Resonanz trifft.
Neben dem Weiterempfehlungsmanagement ist auch das Image der Kanzlei ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Neukundengewinnung. Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Weiterempfehlung durch einen bestehenden Kunden ist umso höher, je bekannter das weiterempfohlene Unternehmen bei den Zielkunden ist. Es gibt viele Statistiken, die Weiterempfehlungen als wichtigste Quelle für neue Kunden belegen. Leider gibt es keine Aussagen, wie viele Weiterempfehlungen nicht erfolgreich sind. Die Erfolgsquote für Weiterempfehlungen kann man durch eine systematische Imagebildung und einen erhöhten Bekanntheitsgrad erhöhen. Die großen Beratungsunternehmen verbinden die Imagebildung mit einer Markenbildung. Ein Unternehmensname steht dabei für bestimmte Merkmale, wie Leistungsumfang, Zielgruppe, Beratungsansatz usw.
Insbesondere bei der Zielkundengruppe ist ein eindeutiges Kanzleiimage aufzubauen. Die Unterscheidungsmerkmale zu den Mittbewerbern sind dabei hervorzuheben. Die meisten Steuerberatungskanzleien werben damit, dass sie kleine, mittlere und größere Unternehmen aller Branchen mit sämtlichen Steuerberatungsleistungen bedienen. Gerne werden dann noch die einzelnen Leistungen wie Finanz-/Lohnbuchhaltung, Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen usw. aufgelistet. Diese Dienstleistungen werden stets pünktlich erbracht und nach der Steuerberatergebührenverordnung abgerechnet. Mit diesen Merkmalen ist eine Differenzierung von den Wettbewerbern nicht möglich, da alle annähernd mit der gleichen Botschaft werben.
Zur Entwicklung eines Kanzleiimage sind zunächst die Zielkunden für die Neukundengewinnung zu definieren. Je abgrenzbarer die Zielkunden sind, desto zielgerichteter kann das Kanzleiimage aufgebaut werden. Eine in der Praxis häufiger vorkommende Segmentierung ist eine Brancheneingrenzung. So könnte beispielsweise eine Segmentierung im Bereich der Heilberufe erfolgen. Zu diesem Zweck sind in dem Markgebiet der Kanzlei die potentiellen Zielkunden mit möglichst vielen Angaben zu erfassen. Diese Zielkunden sind dann regelmäßig auf die Besonderheiten der Kanzlei hinzuweisen. Hierzu eignen sich insbesondere spezielle Fachinformationen für die Zielkundengruppe, Fachveranstaltungen zu speziellen Themen für die Zielkunden, Veröffentlichungen in Fachzeitschriften in diesem Bereich oder eine Tätigkeit bzw. Präsenz in den entsprechenden Berufsorganisationen. Diese Form der Sachinformation stellt keinen Verstoß gegen bestehende Werbeverbote dar. Für Steuerberater regelt derzeit der § 8 StBerG die Werbebefugnis. Danach darf auf die angebotenen Tätigkeiten hingewiesen werden, soweit dies in Form und Inhalt sachlich ist. Werbung, die auf die Erteilung eines Einzelauftrages gerichtet ist, ist verboten. Für Wirtschaftsprüfer ist nach § 52 WPO Werbung ausdrücklich zulässig, es sei denn sie ist unlauter.
Insbesondere für diese Form der systematischen Zielkundenakquisition sind EDV-gestützte Lösungen notwendig. Diese EDV-Lösungen garantieren eine systematische Umsetzung des CRM-Ansatzes. Vereinzelte Aktionen, wie sie im Steuerberatungsmarkt von nahezu allen Wettbewerbern durchgeführt werden, reichen für ein konsequentes CRM nicht aus. Die Zielkunden sind systematisch zu kontaktieren und zu informieren. Über die Zielkunden sind möglichst genaue Angaben zu sammeln. Das Angebotswesen sollte zentral über dieses System abgewickelt werden. Für nicht erfolgreiche Angebote sind die Gründe zu erfragen und ebenfalls zu erfassen. Diese Funktionen kann ein modernes CRM-System übernehmen. Bei Kanzleien mit solchen CRM-Programmen sind bis zu 75 % der Neukunden bereits in der CRM Software als sogenannter Kontakt vorhanden.
3. Kundenbindung
Jeder Partner und Mitarbeiter sollte sich des Wertes einer Kundenbeziehung bewusst sein. Dabei ist das Produkt Steuerberatung eines der schwierigsten Produkte. Steuerberatende Leistungen werden von kleineren und mittelständischen Kunden benötigt. Eine besondere Leidenschaft für diese Dienstleistungen besteht aber nicht. Die Leistungserbringung ist nicht transparent für den Kunden, da diese in der Regel in der Kanzlei erbracht werden. Die Auswertungen der Arbeit werden nur von wenigen Kunden wirklich gelesen und verstanden. Die Qualität kann objektiv oftmals nicht beurteilt werden. Die Kunden gehen von der Richtigkeit aus, bis Fehler offenkundig werden. Grundsätzlich basiert die steuerberatende Dienstleistung auf Vertrauen. Dem Steuerberater als Experten vertraut man. Wenn dieses Vertrauensverhältnis gestört ist, wird die Mandatsbeziehung schwierig und führt oftmals auch zum Mandatsverlust. Die Qualität der Dienstleistung ist daher eine absolute Grundvoraussetzung für die Kundenbindung.
Darüber hinaus spielen aber die sogenannten weichen Faktoren eine wichtige Rolle bei der Kundenbindung. Eine von allen Beteiligten gelebte Mandantenorientierung ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Kundenorientierung bedeutet nicht die Anforderungen des Kunden zu erfüllen, sondern ihn zu begeistern. Fachliche Mitarbeiter im Bereich des Steuerrechts sind darauf in der Regel nicht vorbereitet. Die fachliche Leistung wird oftmals überbetont. Deshalb muss auch allen Mitarbeitern der Wert der Kundenbeziehung bewusst sein. Eine persönliche Kundenbeziehung kann manchen fachlichen Fehler kompensieren. Eine Kanzlei die wachsen möchte, muss dabei ihre Mitarbeiter einbeziehen, da die Inhaber alleine nur begrenzte persönliche Kundenbeziehungen pflegen können.
Den Kunden durch die fachliche Arbeit zu begeistern ist relativ schwierig. Dies kann nur durch eine transparente Leistungen oder durch Leistungen mit einem spürbaren Erfolg für den Mandanten erreicht werden (z. B. besondere Steuergestaltungen, Rechtsbehelfe, Finanzgerichtsprozesse, Betriebsprüfungen).
Diese Form der fachlichen Arbeit festigt den Expertenstatus des Steuerberaters beim Kunden. Er hat einen sichtbaren oder spürbaren Erfolg für den Kunden erzielt. Auch technische Innovationen können Kunden begeistern und das Image der Kanzlei beim Kunden nachhaltig beeinflussen.
Für eine gelebte Kundenorientierung ist es auch wichtig, die Wünsche und Einschätzungen der Kunden zu kennen. Die einfachste Quelle ist eine regelmäßige Befragung des „front office“. Diese Mitarbeiter bekommen oftmals die deutlichsten Kundenaussage mit und haben in der Regel gute Beziehungen zu den Kunden. Darüber hinaus sollten die Berater Kundenbesprechungen auch dazu nutzen, um den Kunden nach seiner Einschätzung über die Kanzlei zu befragen. Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern, das Leistungsspektrum, die generelle Zusammenarbeit sollten dabei im Vordergrund stehen. Eine weitere Möglichkeit sind Kundenbefragungen. Diese sollten möglichst kurz und nicht mit Bewertungen versehen sein. Offene Fragen an den Kunden zu ausgewählten Themen bringen die deutlich besseren Ergebnisse. Die Ergebnisse der Kundenbefragungen sind ebenfalls systematisch zu erfassen und auszuwerten. Auch hier unterstützen moderne CRM-Programme die Kanzleiinhaber bei der Umsetzung.
4. Kundenrückgewinnung
Ein Mandatsverlust ist in jedem Fall ein schwerer Verlust für das Unternehmen. Die Ursachen sollten daher sorgfältig analysiert werden. Der Kanzleiinhaber sollte dies mit dem Mandanten persönlich besprechen. Nicht selten ist der Mandant bereit es nochmals zu versuchen, nachdem er die Gründe für die Kündigung erläutert hat. Falls es dennoch zu einer Beendigung der Zusammenarbeit kommt, sollte dies in einer angenehmen Atmosphäre passieren. Der Kunde sollte insbesondere kein schlechtes Gewissen haben wegen der Kündigung. Falls es bei dem neuem Berater nicht funktioniert, ist die vorherige Kanzlei, dann der erste Ansprechpartner.
Auch während der Mandant von anderen Beratern betreut wird, sollte der Kontakt aufrecht erhalten werden. Von Zeit zu Zeit sollten ehemalige Kunden auf Entwicklungen in der Kanzlei aufmerksam gemacht werden. Darüber hinaus sind Einladungen zu fachlichen und gesellschaftlichen Veranstaltungen eine gute Möglichkeit den Kontakt zu halten. Monatliche Rundschreiben oder andere Sachinformationen sind eher ungeeignet, da er diese auch von der neuen Kanzlei bekommt. Insbesondere auf der persönlichen Ebene sollten sich keine Veränderungen ergeben. Wurde früher beispielsweise Weihnachtskarten oder Geburtstagskarten verschickt, so sollten diese auch später beibehalten werden.
In einem CRM-System sind Kunden niemals inaktiv. Auch nach einer Mandatsbeendigung können diese systematisch weiterbearbeitet werden.
5. Zusammenfassung
Der zunehmende Wettbewerb und der monetäre Wert einer Kundenbeziehung in der Steuerberatung sprechen eindeutig für einen konsequenten CRM-Ansatz. Dennoch gibt es bisher nur sehr wenige Kanzleien, die sich systematisch mit dieser Form von Neukundengewinnung und Kundenbindung beschäftigen. Die anderen Kanzleien belassen es oftmals bei der Selbsteinschätzung, dass man sehr kundenorientiert ist, die Bedürfnisse der Kunden kennt und die bestehenden Kunden die Kanzlei intensiv weiterempfehlen.
Dies ist wohl auch der Grund, warum sich bisher die klassischen Anbieter von Softwareprogrammen für Steuerberater nur sehr eingeschränkt mit sinnvollen Lösungen in diesem Bereich beschäftigen. Bei den Steuerberater-Programmen dominiert eindeutig der fachliche Teil. Programme zur Unterstützung des Marketings und des Vertriebs sind kaum vorhanden. Selbst die DATEV eG als Marktführer hat kein Produkt in diesem Bereich. Aus diesem Grund muss leider auf andere Softwarehäuser (z. B. Synergy von Exakt oder CAS GenisisWorld) ausgewichen werden und über Schnittstellen eine entsprechende Verbindung zu den existierenden Programmen hergestellt werden. Die Investitionskosten sind dabei nicht unerheblich. Falls aber nur pro Jahr ein Kunde mit einem Jahresumsatz von 10.000 € gewonnen wird, amortisieren sich die Kosten innerhalb kürzester Zeit.